Fertigkeiten

Einführung

 

Nach einer ausführlichen Begriffsklärung die Fertigkeiten betreffend, zeichne ich in dieser Arbeit mein eigenes Bild von möglichen Anwendungen der Fertigkeiten, das in den Farben meiner eigenen Erfahrungen als Mutter, Lehrerin, Trainerin und meines erlernten Wissens durch mein Pädagogikstudium an der UNI Wien, meine Montessoriausbildung und meine Train-The-Trainer-Ausbildung bei Vera F. Birkenbihl schimmert.

 

Begriffsklärung

 

„Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts ist es, die sprachlichen Fertigkeiten der Lerner zu entwickeln.“(1)

 

Fertigkeiten werden also erworben und herausgebildet und können somit gezielt trainiert werden. Sie lassen sich gegenüber kognitiven und motorischen Fähigkeiten, welche die Lernenden mitbringen, abgrenzen und sind als ein wichtiger Bestandteil der kommunikativen Sprachaktivitaten anzusehen.

 

Fertigkeiten entwickeln sich langfristig durch gezielte Förderung und Anwendung.

 

Der englische Begriff "skills" wird mit dem Begriff Fertigkeiten gleichgesetzt – man kann ihn oft in der Fachliteratur antreffen. Den Fremdsprachenunterricht betreffend werden unter beiden Begriffen die vier sprachlichen Grundfertigkeiten Hören (Hörverstehen), Sprechen, Lesen (Leseverstehen) und Schreiben zusammengefasst, welche sich in produktive (Sprechen und Schreiben) und rezeptive (Hören und Lesen) Fertigkeiten unterteilen lassen.(2)

 

„Rezeption und Produktion (mündlich und/oder schriftlich) sind ganz offensichtlich primäre Prozesse, weil beide bei der Interaktion benötigt werden. ... Zu den rezeptiven Aktivitäten gehören auch das stille Lesen und das Verfolgen von Sendungen in den Medien. Sie sind auch wichtig bei vielen Formen des Lernens (den Inhalt eines Kurses verstehen, Lehrbucher, Nachschlagewerke und anderen Dokumente zurate ziehen). Produktive Aktivitäten spielen in vielen schulischen

________________________________________

1 Antje Stork (2010): Fähigkeiten und Fertigkeiten. In: Hallet, W./ Königs, F. G. (Hrsg.) (2010): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber: Klett-Kallmeyer,

S. 65

2 vgl. Huneke, H.-W./ Steinig, W. (2002): Deutsch als Fremdsprache. Eine Einfuhrung. Berlin: Erich Schmidt Verlag, S. 109  

 

und beruflichen Bereichen eine wichtige Rolle (Vorträge, schriftliche Studien und Berichte); sie genießen auch besondere Wertschätzung in der Gesellschaft (Beurteilungen schriftlich vorgelegter Leistungen, Beurteilung flüssigen Sprechens bei einem Vortrag).“(3)

 

Die Zielvorstellung des Fertigkeitentrainings ist bei allen Fertigkeiten identisch, denn auf sie sollen vom Lernenden in Kommunikationssituationen möglichst automatisiert und unbewusst zuruckgegriffen werden können.(4)

 

Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen sind also Kommunikationsfertigkeiten, wobei neuerdings das Hör-Seh- Verstehen (5) als weitere Fertigkeit gilt. Gesehenes bewirkt eine hohe Gedächtnisleistung, weil bewiesen ist, dass mit den Augen zwischen 70% und 80% der Informationen aufgenommen werden und mit den Ohren etwa nur 13%. So kann man sich vorstellen, dass die Kombination zwischen Gesehenem und Gehörtem umso produktiver ist. In Zeiten der Visualität und des Internets ist es eigentlich ein Muss, diese Erkenntnis in den Unterricht einfließen zu lassen. Ingrid Schwerdtfeger (6), die 1989 das Hör-Seh-Verstehen als "die übersehene fünfte Fertigkeit" bezeichnet hat, versteht darunter die Fähigkeit der Lernenden, audiovisuelle Medien, d.h. Filme unterschiedlicher Genres in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen, zu verarbeiten und je nach Situation zu interpretieren. Beim gleichzeitigen Hören und Sehen geht es vor allem um doppelsinniges Verstehen, das dem natürlichen Verstehen entspricht. Filme sind authentische Materialien, die unter anderem eine situationsbezogene lebensweltliche Sprachverwendung zeigen, wobei dies den Sprachlernenden die Möglichkeit bietet, über körpersprachliches Verhalten wie Blick, Mimik, Gestik und Raumverhalten sensibilisiert zu werden und darüber zu reflektieren. Die große Herausforderung des Hör-Seh-Verstehens liegt in der _____________________________________

3 Europarat (2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Straßburg: Langenscheidt, S. 25

4 Katharina Bachmann (2014): Integriertes Fertigkeitentraining im DaF-Unterricht durch Einsatz interaktiver Web 2.0-Anwendungen und Apps, Masterarbeit, S. 3ff 5 https://sprachenzentrum.univie.ac.at/blog/artikel/hoer-seh-verstehen-whats-that/

6 Schwerdtfeger, Inge: Sehen und Verstehen. Arbeit mit Filmen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Berlin, München: Langenscheidt. 1989

 

Flüchtigkeit der visuellen und akustischen Zeichen, die einer alltäglichen Kommunikation sehr ähnlich ist. Um Überforderungen zu vermeiden und die Motivation der Lernenden aufrechtzuerhalten, sind der Niveaustufe entsprechende Aufgabenstellungen vonnöten, die das Verstehen unterstützen können und sollen. Um der Flüchtigkeit der visuellen und akustischen Zeichen zu entgehen, würde ich in meinem Unterricht vermehrt Rollenspiele mit meinen Teilnehmer*innen spielen, denn da kann man mit der Schnelligkeit des Sprechens variieren, man kann während des Theaterspielens beim Sprechen deutlich übertreiben. Weil es zu den Künsten gehört, darf bzw. soll man auch manchmal künsteln, um in aller Deutlichkeit die Wichtigkeit des genauen Aussprechens von Wörtern zum Ausdruck zu bringen.

 

Anwendung der Fertigkeiten im DaF-/DaZ-Unterricht

 

Aufgrund meiner Montessoriausbildung, meiner Train-The-Trainer-Ausbildung bei Vera F. Birkenbihl, meiner Erfahrungen und Beobachtungen als zweifache Mutter, Lehrerin, Trainerin und der eigenen Erfahrungen meine Muttersprache betreffend, zeichne ich nun mein eigenes Bild von der Anwendung der Fertigkeiten:

 

Am Anfang war das Hören!

 

Es ist bewiesen, dass bereits Embryos im Mutterbauch hören können. Wenn man ein Baby beobachtet, dann krabbelt es zuerst, dann steht es und erst, wenn es bereit ist, geht es: Krabbeln ist wie Hören. Nachdem wir viele Monate viel gehört haben, haben wir begonnen herumzuprobieren und damit die Plapperphase eingeleitet, indem wir vokal- und konsonantenähnliche Laute artikuliert und Intonationsmuster von Erwachsenen imitiert haben. Das Imitieren bzw. Nachahmen ist eine angeborene und ganz natürliche Fähigkeit, die wir von Beginn an nutzen, um zu lernen – für mich ist es die natürlichste Art, zu lernen.

 

Hilf mir, es selbst zu tun! (7)

 

Die Pädagogik von Maria Montessori entstand vor allem durch ihre hohe Beobachtungsgabe. Sie erkannte relativ schnell, dass Kinder gerne nachahmen und so begann sie ganz bewusst Bewegungen langsam vorzumachen und ließ die Kinder ihre Bewegungen nachmachen. Fürs Schreibenlernen bastelte sie Samtbuchstaben, sie fuhr mit dem Zeigefinger in Schreibrichtung den Buchstaben langsam entlang und sprach gleichzeitig den dazu passenden Laut.

_______________________________________

7 https://www.lernzeit.de/hilf-mir-es-selbst-zu-tun-maria-montessori/   

 

Sie wusste, dass auch das Fühlen beim Lernen große Wichtigkeit hat: Hören – Fühlen – Schreiben. Da Erwachsene die Fähigkeit des Nachahmens nicht verlernen – viele wurden dazu erzogen, so sein zu wollen wie z.B. ein anderer erfolgreicher Mensch und es gibt ja auch viele Frauen, die das momentane hippe Schminkmuster auf ihre Augenlider (nach-)malen – ist das Lernen durch Imitation auch im Erwachsenenalter ein natürliches. Nach den Erkenntnissen von Vera F. Birkenbihl und Hirnforschern wie u.a. Manfred Spitzer und Gerald Hüther ist unser Gehirn so gemacht, dass es assimiliert – es imitiert unbewusst, d.h. alles, was man andauernd hört, übernimmt man automatisch. Die dabei empfundene Freude wirkt sich positiv auf den Lernprozess aus. Pauken hingegen ist, wie wenn wir verschlossene Pakete schlucken müssen, es ist schlecht verdaulich, immer gleich, langweilig, es erzeugt im Kopf ein kognitives Vakuum und keinerlei Verständnis, es ist ernst, unlustig und negiert die Neuromechanismen im Gehirn.

 

Vera F. Birkenbihl (8) bezeichnet Lernen als die Entwicklung und Entfaltung eines Repertoires, die Anlegung von Nervenbahnen und die Nutzung unserer Neuromechanismen. Lernen soll gehirngerecht sein, es soll der Arbeitsweise des Gehirns entsprechen, die im entDECKen der Dinge besteht, indem wir den DECKel hoch heben.

 

Manfred Spitzer schreibt in seinem Buch „Geist im Netz“, dass es im Gehirn eine Struktur gibt, die Hippocampus heißt. Er ist wie eine kleine Festplatte mit relativ wenig Speicherkapazität und deshalb müssen innherhalb von ca. 24 – 36 Stunden die Daten in den Cortex hochgeladen werden. Damit leert sich der Hippocampus und kann sich wieder mit neuen Daten füllen. Diese Festplatte arbeitet nach dem Prinzip „FiFo“ – first in first out – das bedeutet:

 

Wenn man zu viel zu schnell lernt und dazwischen zu wenig schläft, dann fallen alle Daten unten wieder hinaus, weil man sie oben zu schnell hineingestopft hat, ehe man seinem Gehirn die Möglichkeit gegeben hat, die Daten dauerhaft zu speichern. Der Hippocampus ist der Cortex- Trainer, er muss also durch Schlaf die Möglichkeit haben, die neuen Daten hinüberzuladen. Wir haben vier Schlafphasen, die dritte ist die REM-Phase, in der wir träumen, die vierte ist der Tiefschlaf (Deltawellen) und da passiert es – da wird in unserem Gehirn hochgelanden. In dieser Phase werden die neuen Daten automatisch 30 bis 40 Mal wiederholt

____________________________________

8 Vera F. Birkenbihl: Sprachen lernen leicht gemacht, https://www.youtube.com/watch? v=0HxnyY0cS3M   

 

und da unser Gehirn im Schlaf wiederholt, sind mehr als 6 Wiederholungen des neu Gelernten im Wachzustand nicht nötig, meint Vera F. Birkenbihl. Sie entwickelte ihr „Sprachen lernen leicht gemacht“, das aus vier Phasen besteht:

 

1. De-Kodieren: In dieser Phase wird der Text in der fremden Sprache wörtlich übersetzt. Wenn es Wörter gibt, für die es in der jeweiligen Erstsprache oder Muttersprache keine Wörter gibt, dann werden diese einfach so wie sie sind übernommen. So ist es auch möglich, den „anderen“ Satzbau der fremden Sprache zu erkennen und das Pauken von Vokabeln erübrigt sich.

 

2. Hören AKTIV: Während des Hörens wird NICHT zuerst in der fremden Schrift gelesen! Während also die fremde Sprache gehört wird, werden die Wörter der vertrauten Sprache mitgelesen.

 

3. Hören PASSIV: Während man bügelt, kocht und alltägliche Dinge ausübt, werden die zu lernenden Texte im Hintergrund – z.B. durch Kopfhörer, die leicht hinterm Ohr sitzen oder durch einen CD-Player, der leise im Hintergrund spielt – immer wieder gehört und somit wird dem Unbewussten das Lernen übergeben (vgl. HC – Cortex). Am Anfang braucht es meist noch Übung, NICHT hinzuhören.

 

4. Aktivitäten: In dieser Phase wird die neue Sprache aktiv durch Sprechen, Schreiben und Lesen angewandt. Ich habe als Schülerin das Pauken von Vokabeln gehasst und wahrscheinlich deshalb in Englisch große Probleme gehabt, deshalb werde ich die Birkenbihl- Methode in meinem zukünftigen DaF-/DaZ-Unterricht zumindest zu Beginn bei den Anfänger*innen einsetzen. Das heißt aber nicht, dass meine Teilnehmer*innen niemals Vokabeln lernen müssen/sollen. Jeder Mensch lernt auf seine ganz spezielle Art und Weise, deshalb werde ich so viele Arten wie mir möglich anbieten.

 

Dekodierungsblatt: (Die freien Zeilen sind zum Dekodieren da.)

 

Herzlich willkommen! Mein Name ist Doris Getreuer.

 

Ich bin Ihre Deutsch-Trainerin.

 

Ich freue mich, Sie beim Deutschlernen unterstützen zu dürfen.

 

Wie lautet die Begrüßung in Ihrer Muttersprache?

 

________________________________

https://www.derdiedaf.com/unterrichtsmaterial/erwachsene/a1/handlungsfelder/begruessung-und- vorstellung/

 

Nachdem dekodiert wurde und oft gehört – ich habe den Text langsam und deutlich gesprochen, aufgenommen und ihn meinen Teilnehmer*innen über WhatsApp zum Anhören geschickt – gelesen und ausgefüllt wurde, wird im Rollenspiel die Aussprache geübt: SIEHE BILD oben rechts

 

Die seitlichen Striche dienen zur selbstständigen Fehlerkontrolle, falls man zum Üben die Streifen ausschneiden und sie von den Teilnehmer*innen wieder zusammenfügen lassen möchte. Dieses Gespräch kann dann erweitert werden in Bezug auf Auskünfte über Alter, Familie, Lieblingsessen, Wohnen, Freizeit, Sprachen etc. Hörbeispiele und Texte sollten aus dem Leben gegriffen und authentisch sein. Sie sollten für die Teilnehmer*innen Sinn machen. Alles, was sie im DaF-/DaZ-Unterricht lernen, sollten sie direkt in ihrem Alltag brauchen und anwenden können. Die Fertigkeit Schreiben (A1) werde ich, als DaF-/DaZ-Trainerin, u.a. durch E-Mails fördern, die dazu auffordern, zurükzuschreiben:

 

„Liebe*r _____________________,

 

wir wollen am Dienstag nach dem Kurs eine kleine Party gestalten. Wir haben es ja gemeinsam beschlossen. Vielleicht können Sie einen Salat oder etwas anderes zu essen mitbringen? Geben Sie mir bitte Bescheid, was Sie mitbringen wollen. Ich freue mich darauf!

 

Liebe Grüße Doris“

 

Zum Schluss möchte ich noch betonen, dass ich die meisten Hörbeispiele der Lehr-/Lernbücher der Reihe „Pluspunkt Deutsch“ als ungeeignet empfinde, weil sie viel zu schnell gesprochen sind. Außerdem dürfen die Texte persönlicher sein, sodass sich die Teilnehmer*innen mehr angesprochen fühlen können. Auch die angebotenen Videos begeistern mich nicht besonders. Ich würde lieber eigene Videos mit meinen Teilnehmer*innen aufnehmen, denn für so ein Video dürfen sie ihre Aussprache zur Perfektion bringen. Weiters würde ich meinen Teilnehmer*innen empfehlen, viele Filme auf Deutsch mit Untertiteln in der jeweiligen Muttersprache anzusehen.

__________________________________ 

 

Literaturverzeichnis Bücher:

 

- Katharina Bachmann (2014): Integriertes Fertigkeitentraining im DaF-Unterricht durch Einsatz interaktiver Web 2.0-Anwendungen und Apps, Masterarbeit

 

- Antje Stork (2010): Fähigkeiten und Fertigkeiten. In: Hallet, W./ Königs, F. G. (Hrsg.) (2010): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber: Klett-Kallmeyer

 

- Europarat (2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Straßburg: Langenscheidt

 

- Huneke, H.-W./ Steinig, W. (2002): Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung. Berlin: Erich Schmidt Verlag

 

- Schwerdtfeger, Inge (1989): Sehen und Verstehen. Arbeit mit Filmen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Berlin, München: Langenscheidt

 

Internet-Referenzen:

 

www.derdiedaf.com (28.11.2018) https://www.derdiedaf.com/unterrichtsmaterial/erwachsene/a1/handlungsfelder/begru essung-und-vorstellung/

 

www.lernzeit.de (28.11.2018) https://www.lernzeit.de/hilf-mir-es-selbst-zu-tun-maria-montessori/ www.sprachzentrum.univie.ac.at (28.12.2018)

 

https://sprachenzentrum.univie.ac.at/blog/artikel/hoer-seh-verstehen-whats-that/ www.youtube.com (28.12.2018) Vera F. Birkenbihl: Sprachen lernen leicht gemacht

 

https://www.youtube.com/watch?v=0HxnyY0cS3M

 

(c) Mag.a Doris Getreuer