Der Ethnozentrismus, meine Sicht des Menschen in Reinkultur und Begegnungen im interkulturellen Feld

Einführung

 

„Naja, wie soll i denn sagen: I bin kein Rassist! I bin wirklich kein Rassist. - Aber so, wie i ausschau? Ja, i schau ja aus wie ana von de … oiso von de Unsrigen … oiso ned die Ihrigen - die Meinigen, die Hoibadn, die aundan Hoibadn! … Der kennt mi jo ned! Der waß jo ned, dass i a österreichischer Fernsehkasperl mit drei Romys bin, der glaubt, i bin a persischer Terrorist mit drei afghanische Cousins – wissens, wos i maan?“ (Michael Niavarani, aus dem Kabarettprogramm „Encyclopaedia Niavaranica“, https://www.youtube.com/watch?v=bAYVbNxSJLk)

 

Wissen Sie, was ich meine?

 

Im Folgenden wird der Ethnozentrismus genauer beleuchtet. Da es laut Kroeber und Kluckhohn 350 verschiedene Definitionen und Beschreibungen von Kultur gibt und jede Wissenschaft ihre eigenen Vorstellungen davon hat, was Kultur ausmacht, werde ich mich in dieser Arbeit nicht genauer darauf einlassen.

 

Im Weiteren stelle ich dar, was der Mensch in Reinkultur, in seiner unübertreffbaren Art und Weise für mich bedeutet und wie ich den Teilnehmer*innen in meinen DaF-/DaZ-Kursen begegne.

 

1. Ethnozentrismus

 

Der Begriff „Ethnozentrismus“ wird auf den US-Soziologen William Graham Sumner zurückgeführt. Seine Definition lautet: „Ethnozentrismus ist der Fachausdruck für jene Sicht der Dinge, in welcher die eigene Gruppe der Mittelpunkt von Allem ist und alle anderen mit Bezug darauf bemessen und bewertet werden.” (https://de.wikipedia.org/wiki/Ethnozentrismus)

 

Die Chinesen und Chinesinnen essen immer „Leis“, die Österreicher*innen sudern gerne, trinken viel Wein und Bier – vor allem die Wiener*innen! Speziell die Burgenländer*innen sind generell beschränkt und „Mia san mia!“, und wir sind stolz darauf! Die Türken, das sind die, mit dem „Ü“: Dürüm, die Araber sind die, mit den Terroranschlägen, und „Mia san mia!“ - wir sind stolz darauf. Generell sprechen Ausländer*innen sehr laut, sehr schnell und lassen den Motor ihres Autos laufen, währenddessen sie sich mit ihren Freund*innen am Gehsteig unterhalten.

 

Das sind Assoziationen, die ich schon oft hören durfte. Wenn man andere Kulturen und Gemeinschaften aus der Perspektive der eigenen Kultur beurteilt und anhand der eigenen Normen bewertet, die Abweichung von eigenen kulturellen Werten als negativ empfindet und durch vorgeprägte Sichtweisen die eigene Kultur als überlegen ansieht, kann es zu Fremdenhass und Rassismus kommen.

 

Bis zu einem gewissen Grad wird Ethnozentrismus jedoch als normal betrachtet. Er hilft uns, ähnlich wie die Stereotypisierung, die Facetten unserer Umwelt zu begreifen und einzuordnen – doch sobald man einen Menschen mit einer Gruppe von Menschen über einen Kamm schert, hat man ein Vorurteil erschaffen.

 

2. Der Mensch in Reinkultur

 

„Die meisten Versuche, »Kultur« zu definieren, lassen sich bei aller Verschiedenheit so zusammenfassen, dass Kultur eine Vielfalt von Phänomenen (»Paket von Variablen«) umfasst, die u.a. vermittelt durch Sprache, Geschichte, Mythen, Rituale (vgl. Boesch 1983; Boesch/Straub 2007) in die Sozialisation, die Entwicklung und das Handeln des Menschen eingeht.“(Gisela Trommsdorff, 2008)

 

Kultur und Sozialisation des Menschen sind untrennbar miteinander verbunden. Kultur kann also als ein Produkt des menschlichen Denkens und Handelns verstanden werden, das von Generation zu Generation weitergegeben und verändert wird. Diese Form von Weitergabe lässt sich als eines von mehreren Merkmalen von Sozialisierungsprozessen sehen. Kultur ist nichts Angeborenes – wir sozialisieren uns in sie hinein.

 

Der Mensch in Reinkultur ist für mich der Mensch in seiner unübertreffbaren, einzigartigen und besonderen Art und Weise, in der seine Sozialisation eine große Rolle spielt – und doch gibt es keinen auf dieser Welt, der den gleichen Fingerabdruck und die gleichen Erfahrungen wie ein anderer gemacht hat. Jeder hat sein einzigartiges Talent und Potenzial.

 

Der kulturelle Hintergrund eines Menschen ist aufgrund seiner Sozialisation wichtig und nicht zu übersehen, denn Achtsamkeit anderen Menschen gegenüber beinhaltet auch, Interesse und Offenheit für andere Kulturen zu zeigen.

 

Kommunikation funktioniert nicht immer reibungslos – es gelten Codes, die in unterschiedlichen Kulturen angewendet werden, jedoch nicht überall die gleichen Werte beinhalten. Potenzielle Missverständnisse können sich verdichten, wenn verbale und nonverbale Signale unterschiedlich eingesetzt werden.

 

Um mich als Trainerin darauf einstellen zu können, ist es wichtig, mein eigenes Kommunikationsverhalten zu reflektieren, mich an den Kommunikationsstil und an die Erwartungen meines Gegenübers anzupassen, aktiv zuzuhören und die nonverbalen Signale bewusst wahrzunehmen. (https://www.hrweb.at/2018/04/interkulturelle-kommunikation-gespraechskompetenz/)

 

Dies scheint mir recht anspruchsvoll zu sein und bedarf viel Übung, deshalb halte ich mich von Beginn an auch an eine Form von interkultureller Kommunikation, die für mich die Kommunikation von Herz zu Herz ist, denn unser Herz spricht alle Sprachen.

 

3. Begegnungen

 

Nicht nur als DaF-/DaZ-Trainerin bin ich für jede Begegnung mit Menschen dankbar. Ich schätze ihre Art und Weise, sich selbst und die Welt zu sehen. Sie ermöglichen mir oft neue Sichtweisen, die sehr inspirierend für mich sein können. Ich will Menschen nicht in ihrem Facettenreichtum einschränken, denn der Mensch ist so viel mehr als seine Herkunft und Kultur.

 

Unser Denken ist beschränkt und – wenn auch meist unbewusst – vorurteilsbehaftet, weil wir Menschen teilweise gar nicht anders können, als zu bewerten und zu vergleichen. Einzigartigkeiten können aber nicht verglichen werden, es sei denn, man erkennt ihre Einzigartigkeit nicht.

 

Was können wir „Einzigartigkeiten“ aus verschiedenen Kulturen also gemeinsam haben?

 

Wir sind Menschen, wir sind gemeinsam hier, in diesem DaF-/DaZ-Kurs, an genau diesem Ort und um diese Zeit. Wir alle haben Erfahrungen gemacht und sind deshalb geworden, wie wir jetzt sind. Wir werden aufgrund gemeinsamer, neuer Erfahrungen wieder werden, wie wir sind und dabei erlischt die Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen nicht.

 

Das gemeinsame Ziel der Gruppe ist, Deutsch zu lernen und ich, als Trainerin, lehre und unterstütze dabei. Jeder hier ist gleich wichtig und wertvoll. Jeder kann von jedem lernen und so begegnen wir einander hier.

 

Ich, als Trainerin, maße mir kein Urteil an – ich ehre all die Wege, die meine Teilnehmer*innen bis jetzt gegangen sind. Ich stülpe ihnen meine Kultur nicht über, denn meine Kultur ist weder besser noch schlechter als andere.

 

Ich bitte meine Teilnehmer*innen nicht um Toleranz – ein Dulden, ihnen, ihrer Lebensweise und Kultur gegenüber, wäre mir zu wenig.

 

Der Mensch als facettenreiches Wesen soll im Vordergrund stehen, nicht ausschließlich seine Herkunft. Ich verfolge ein wertschätzendes, ebenbürtiges Miteinander offenen Herzens, durch das Räume für unser Kulturgeflecht geöffnet werden können, und Gemeinsamkeiten und Verbindungen zum Vorschein kommen können, denn es gibt kein statisches Prinzip von Kultur. Kultur ist etwas Dynamisches und ihre Begrifflichkeit soll nicht zu einem beengendem Gewand werden.

 

Ich bin eine waschechte Wienerin, sagt man mir, denn ich bin in Wien geboren und meine Vorfahren kamen aus dem Sudetenland, aus Tschechien und Ungarn. Wiener*innen sind anscheinend erst dann waschecht, wenn sie aus verschiedenen Kulturen stammen. Gerade drängt sich mir die Frage auf: Bin ich denn stolz darauf, eine Wienerin zu sein und stolz darauf, mich beim Waschen nicht zu verfärben?

 

Eines ist mir jedenfalls gewiss: Ich bin echt und ich bin richtig, wie jeder andere Mensch auch – ein Mensch in Reinkultur.

 

4. Literaturverzeichnis

 

Klaus Hurrelmann (Hrsg.), (2008), Handbuch Sozialisationsforschung, Weinheim: Beltz

 

Internet-Referenzen:

www.youtube.com (13.10.2018)

https://www.youtube.com/watch?v=bAYVbNxSJLk

www.wikipedia.org (13.10.2018)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ethnozentrismus

www.hrweb.at (13.10.2018)

https://www.hrweb.at/2018/04/interkulturelle-kommunikation-gespraechskompetenz

 

(C) Mag. Doris Getreuer